Es ist unheimlich still geworden hier ...
Das liegt daran, dass ich in den letzten Wochen so einiges um die Ohren hatte (beruflich wie privat) und leider nur wenig zum Schreiben kam. Nun ist es wieder etwas ruhiger und ich habe mir fest vorgenommen, "Vic - Animal Soldiers" bis zum Jahresende abzuschließen. Die Hälfte ist geschafft ... Danach wird es Zeit, dem sehr vernachlässigten Dschinn wieder meine Aufmerksamkeit zu schenken ;-)
Ich wünsche euch allen einen schönen Feiertag!
Autorenblog mit Infos über die Bücher, Rezensionen und Sonstigem, was nicht auf die Homepage gehört.

Freitag, 3. Oktober 2014
Mittwoch, 27. August 2014
Update zu Vic
Die letzten Wochen kam ich nicht so viel zum Schreiben, wie ich wollte. Vic ist ein Stück gewachsen und weiterhin im Netz zu lesen ...
http://www.bookrix.de/_ebook-sophie-r-nikolay-vic/
Die letzten beiden Tage hab ich noch einiges getippt, aber es ist noch nicht online. Die Geschichte hat - wie mir das so oft passiert - ein Eigenleben entwickelt und zieht jetzt in eine völlig andere Richtung, als ich eigentlich zu Anfang wollte. Wie das so ist, kann man sich mit seinen Protagonisten nur schwerlich anlegen, denn wenn man es macht, sträuben sie sich bei der Mitarbeit ;-)
Ich hoffe, der Run hält an, sodass dieses Projekt bald abgeschlossen werden kann ...
Ich wünsche euch allen eine schöne Restwoche!
Sophie
http://www.bookrix.de/_ebook-sophie-r-nikolay-vic/
Die letzten beiden Tage hab ich noch einiges getippt, aber es ist noch nicht online. Die Geschichte hat - wie mir das so oft passiert - ein Eigenleben entwickelt und zieht jetzt in eine völlig andere Richtung, als ich eigentlich zu Anfang wollte. Wie das so ist, kann man sich mit seinen Protagonisten nur schwerlich anlegen, denn wenn man es macht, sträuben sie sich bei der Mitarbeit ;-)
Ich hoffe, der Run hält an, sodass dieses Projekt bald abgeschlossen werden kann ...
Ich wünsche euch allen eine schöne Restwoche!
Sophie
Freitag, 18. Juli 2014
Ein bezaubernder Dschinni
Zum Start ins Wochenende möchte ich mein zweites Projekt, an dem ich schreibe, kurz vorstellen. Worum geht es?
Patrick erbt nach dem Tod seiner Großmusster dessen Haus. Beim Entrümpeln fällt ihm eine verstaubte blaue Philole in die Hände. Als er den Stopfen rauszieht, quillt Rauch aus dem kleinen Behältnis und kurz darauf steht ein halbnackter Mann im Raum ...
Ich würde die Story als Chick Lit bezeichnen, doch es ist ein Buch mit schwulen Protagonisten ...
Ein erster Einblick?
Bitte sehr:
Patrick erbt nach dem Tod seiner Großmusster dessen Haus. Beim Entrümpeln fällt ihm eine verstaubte blaue Philole in die Hände. Als er den Stopfen rauszieht, quillt Rauch aus dem kleinen Behältnis und kurz darauf steht ein halbnackter Mann im Raum ...
Ich würde die Story als Chick Lit bezeichnen, doch es ist ein Buch mit schwulen Protagonisten ...
Ein erster Einblick?
Bitte sehr:
D
|
ie Musik aus seinen Kopfhörern übertönte den
Verkehrslärm, als Patrick den Gehweg entlang lief. Allerdings verfehlte Robbie
Williams an diesem Tag seine Wirkung. Die Unruhe lag wie ein Stein in Patricks
Magen und hatte sich seit dem Erhalt des Schreibens stetig vergrößert. Seine
Schritte führten ihn an gepflegten Altbauten vorbei, bis er die Haustür erreichte,
neben der ein Messingschild angebracht war. Notariat Kessler.
Er nahm einen tiefen Atemzug, schaltete die
Musik aus und verstaute die Kopfhörer in der Jackentasche. Anschließend strich
er sich mit einer fahrigen Geste das Haar zurück, drückte er die Tür auf und
folgte dem Wegweiser in den ersten Stock.
Im Haus roch es nach Bohnerwachs und Politur.
Die wuchtige Eichentür, an der ein weiteres Schild Notariat Kessler, Termine nach Vereinbarung verkündete, war
geschlossen. Patrick drückte den Klingelknopf daneben, worauf der Summer
betätigt wurde. Er trat ein und straffte die Schultern. Im Vorraum saß eine ansprechend
gekleidete Frau mittleren Alters, die ihm zulächelte.
„Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?“,
erkundigte sie sich freundlich.
„Hallo. Mein Name ist Patrick Koster, ich habe
einen Termin.“ Er wollte gerade den Brief aus der Tasche ziehen, als sie
aufstand.
„Ja. Sehr schön. Dann sind Sie jetzt
vollzählig. Wenn ich Sie bitten dürfte“, meinte sie und wies auf eine
Flügeltür, die in den Nebenraum führte. Patrick nickte nur und folgte ihr.
„Ihre Eltern sind schon eingetroffen. Kann ich
Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, Wasser?“
„Nein, danke.“ Patrick schluckte und trat nach
ihr in den Raum. Ein großer Tisch nahm fast die gesamte Fläche und bis zur
Decke reichende Regale nahmen die hintere Wand ein, gefüllt mit unzähligen
Büchern. Vor den hohen Fenstern stand eine Sitzecke. Dort saßen sich seine
Eltern und ein Mann im schwarzen Anzug gegenüber, der in diesem Moment aufstand
und auf Patrick zukam.
„Guten Tag Herr Koster. Mein Name ist Joachim
Kessler.“ Er hielt ihm die Hand entgegen, welche Patrick pflichtbewusst kurz
schüttelte. „Kommen Sie, setzen Sie sich“, forderte der Notar ihn auf. Seine
freundliche und fast großväterliche Ausstrahlung half ein wenig, dass Patricks
Magen sich nicht mehr ganz so bleischwer anfühlte.
„Hi“, richtete er knapp an seine Eltern, wobei
der Gruß eigentlich nur seiner Mutter galt. Sein Vater betrachtete seine
Fingernägel, als gäbe es auf ihnen Weltbewegendes zu entdecken. Patrick
kommentierte das mit einem dezenten Grunzen und setzte sich mit größtmöglichem
Abstand zu den beiden.
„Aus meinem Schreiben haben Sie entnehmen
können, warum ich Sie hergebeten habe. Nun, da Sie alle zugegen sind, werde ich
Ihnen den letzten Willen Ihrer verstorbenen Mutter, respektive Großmutter,
verlesen. Die Erblasserin, Agathe Koster, hat von ihrem Testierrecht gebrauch
gemacht.“ Er räusperte sich, griff nach einer ledergebundenen Mappe und setzte
eine Lesebrille auf. Kurz herrschte Totenstille im Raum und Patrick hörte sein
Blut in den Ohren rauschen.
Er schielte zu seinen Eltern hinüber. Seine
Mutter saß steif da, die Hände verkrampft ineinander verschränkt. Es tat ihm
leid, sie so zu sehen. Es war offensichtlich, dass sie den Blickkontakt mit ihm
mied. Sein Vater wippte nervös mit der Fußspitze und wandte die Augen nicht vom
Notar ab.
„Mein Sohn, Edgar Koster, und dessen Ehefrau
Iris, sollen nach meinem Tod meine Münzsammlung erhalten. Der Wert der Sammlung
entspricht dem gesetzlichen Pflichtteil. Mein Enkel, Patrick Koster, soll nach
meinem Tod mein Haus inklusive des gesamten Inventars erhalten. Meine
Entscheidung begründe ich ausschließlich mit folgenden Worten:
Weil du, Edgar, deinen eigenen Sohn wie einen
Aussätzigen behandelst, nur weil er homosexuell ist und sein Leben nicht nach
deinen Vorstellungen lebt.
Mein Barvermögen aus Sparverträgen soll, nach
Begleichung der Bestattungskosten und aller sonstigen Auslagen, dem
Kinderhospiz Sterntaler zugute
kommen. Damit mein letzter Wille eingehalten wird, beauftrage ich das Notariat
Joachim Kessler mit der Testamentsvollstreckung. Die angemessene Vergütung ist
bereits entrichtet worden. Gezeichnet, Agathe Koster, 17. Mai 2011.“ Der Notar
pausierte kurz. Patrick hörte, dass sein Vater ungehalten schnaubte.
„Bevor Sie sich zu Wort melden, Herr Koster“,
bremste Kessler ihn aus, „möchte ich Ihnen folgendes sagen: Ihre Frau Mutter
hat dieses Testament handschriftlich in meinem Beisein aufgesetzt. Sie war im
Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Es gab keine Zweifel an ihrer
Testierfähigkeit.“
Patrick schluckte den Kloß in seinem Hals
hinunter. Er konnte es kaum glauben. Seine Oma überließ ihm das Haus?
„Das kann doch unmöglich Ihr Ernst sein!“
Patrick sah zu seinem Vater, der puterrot im
Gesicht war und sichtlich um Fassung rang. Seine Mutter hingegen war so weiß
wie eine Wand und hatte die Lippen aufeinander gepresst.
„Herr Koster, was Ihre Frau Mutter hier
aufgesetzt hat, ist rechtlich gesehen vollkommen in Ordnung. Ein Testament muss
weder vernünftige noch von dritten nachvollziehbare Begründungen aufweisen.“
„Das ist ein Witz!“
„Ach ja?“, wandte Patrick sich an seinen Vater.
„Wie du dich hier verhältst, das ist ein Witz.“
„Du … du. Was weißt du schon? Und überhaupt,
was soll der Quatsch mit dem Haus? Du wohnst ja nicht mal hier! Und Sie …“, er
wandte sich an Kessler, „… Sie prüfen nach, von welchen Werten wir hier
sprechen.“
Der Notar räusperte sich tadelnd. „Das kann ich
Ihnen sagen. Wie Ihre Frau Mutter wusste, entspricht der Wert der Münzsammlung
Ihrem Pflichtteil, dürfte sogar noch ein wenig mehr einbringen, sofern Sie die
Sammlung veräußern. Das Barvermögen beläuft sich auf etwa siebzig Tausend Euro
und der Wert der Immobilie mitsamt Inventar wurde auf knapp Dreihunderttausend
geschätzt. Einsicht in die genauen Zahlen kann Ihnen meine Sekretärin, Frau
Lays, geben. Fragen Sie sie danach.“ Er wies mit der Hand zur Tür, die in den
Vorraum führte.
Patrick lehnte sich zurück, während sein
wutschnaubender Vater an ihm vorbei in Richtung Tür marschierte. Wenn er
ehrlich war, überraschte ihn die Aufteilung nicht. Trotzdem hätte er nie für
möglich gehalten, dass er das Haus bekäme. So ganz wollte die Erkenntnis auch
noch nicht sacken, sie schien zu sperrig, um aufgenommen werden zu können.
„Von Ihnen benötige ich noch ein paar Angaben,
um die Grundbucheintragung ändern zu lassen. Sofern Sie das Erbe annehmen
wollen.“ Der Notar sah ihn an.
Patrick überlegte nicht lange. Auch wenn er
sich mit seinem Chef nicht wegen einer Versetzung einigen könnte, hergeben
würde er das Haus keinesfalls. Notfalls würde er es vermieten.
„Ähm, ja. Es ist zwar überraschend aber ja, ich
nehme das selbstverständlich an“, sagte er und hoffte, dass er problemlos den
Arbeitsplatz wechseln konnte. Es wäre schön, seine Mutter wieder in der Nähe zu
haben.
„Sehr schön.“ Kessler schlug die Mappe zu und
nahm die Brille von der Nase.
„Kommst du wieder zurück? Ich meine, wirst du
im Haus wohnen?“, fragte seine Mutter leise. Der hoffnungsvolle Ausdruck auf
ihrem Gesicht ließ ihn lächeln.
„Ja, das werde ich. Zumindest versuche ich es,
auch wenn er“, er wies mit dem Daumen zum Vorzimmer, „dann an die Decke geht.“
Sie strahlte, überbrückte die Distanz zwischen
ihnen und umarmte ihn. Er wurde sich in diesem Moment bewusst, wie sehr ihm das
gefehlt hatte.
„Iris! Wir gehen“, dröhnte die gepresst
klingende Stimme seines Vaters von der Tür her. „Und lass den Jungen los, das
ist ja widerlich! Wer weiß, wo der seine Finger hatte.“
Patrick verdrehte die Augen. Seine Mutter
sprang auf, bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick und eilte aus dem
Raum. Die Tür wurde zugeknallt.
„Es tut mir leid“, wandte Patrick sich an den
Notar, der die Szene stirnrunzelnd betrachtet hatte. „Wie unschwer zu erkennen
war, ist mein Vater ein herrischer Mann.“
„Nun, junger Mann“, Kessler legte den Kopf
leicht schräg. Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. „Ich bin ihm nie
zuvor begegnet, aber Ihre Großmutter war mir eine liebe Freundin. Ich ahnte,
dass diese Reaktion kommen würde. Um es mit Agathes Worten zu sagen: Er ist ein
homophober Idiot.“
Patrick riss erstaunt die Augen auf, worauf
Kessler leise kicherte. Es passte gar nicht zu seinem großväterlichen
Erscheinungsbild.
◊
Zwei Wochen später stand Patrick in der
Einfahrt seines neuen Heims. Als Kind hatte er fast die gesamten Ferien bei
seiner Oma verbracht, doch jetzt als Eigentümer vor dem Haus zu stehen, war
eigenartig. Befremdlich und auf gewisse Weise erleichternd, fast, als käme er
nach langer Zeit nach Hause.
Er seufzte, griff sich seine Umhängetasche und
zwei der ungefalteten Umzugskartons. Er klemmte die Pappe unter den Arm, als er
die Tür aufschloss. Es roch dezent nach der Seife, die seine Oma immer benutzt
hatte. Wehmut erfasste ihn. Und ein schlechtes Gewissen, wobei das absolut
unnötig war. Dennoch tat es ihm leid, die letzten Monate so weit weg gewesen zu
sein. Seine Arbeit hatte ihn nach Berlin geführt, in die Zentrale des
Softwareunternehmens, für das er tätig war. Nun war er zurück, in der Niederlassung,
in der er seine Ausbildung absolviert hatte. Zurück in der Heimat. Zurück, ohne
vom herzerwärmenden Lächeln der Oma begrüßt zu werden. Zurück ohne den Duft
nach Apfelkuchen, den sie so oft für ihn gebacken hatte …
Er schob die bedrückenden Gedanken beiseite und
sah sich um. Wo sollte er nur anfangen? Für ihn stand fest, dass er einen
großen Teil der Möbel behalten würde. Jedes Stück verband er mit einer
Erinnerung. Er stellte die Kartons an die Flurwand und stieg die Holztreppe
hinauf. Er kannte den Grundriss des Hauses auswendig. Während unten eine große
Küche, ein Hauswirtschaftsraum, Wohn- und Esszimmer waren, gab es im ersten
Stock zwei Schlafzimmer, ein großes Bad und einen Salon, von dem aus man auf
den Balkon gelangte. Im oberen Stock, dem ausgebauten Speicher, befand sich ein
einziges Zimmer, welches man über eine Wendeltreppe erreichte. Große Fenster
bis zur Giebelspitze erhellten den Raum, der keinen eigentlichen Zweck besaß.
Als Patrick zuletzt dort oben gewesen war, hatte nur eine Sitzgruppe aus
Rattangeflecht im Raum gestanden. Sein jetziges Ziel war allerdings nicht jener
Raum unter dem Dach. Er lief über den Flur, wobei der Teppich jeden seiner
Schritte schluckte. An der zweiten Tür blieb er stehen. Als er sie öffnete, sah
er auf den ersten Blick, dass alles so war, wie immer. Das große Bett mit
Tagesdecke und Zierkissen, das Regal daneben gefüllt mit Comics, Kinder- und
Jugendbüchern sowie einigen ‚Schätzen‘, die er im Laufe der Jahre entdeckt und
dort hingestellt hatte. Das Zimmer, das vor gefühlten Ewigkeiten zu seinem
geworden war, unverändert und stets bereit, den Feriengast aufzunehmen. Nur
dass Patrick schon lange kein Feriengast mehr war. Seine letzten Schulferien
lagen bereits zehn Jahre zurück …
Er stellte die Tasche auf das Fußende vom Bett
und trat ans Fenster. Beim Blick nach draußen stutze er kurz. Im Nachbargarten
tollte ein Hund auf der Wiese herum, eine junge Frau warf ihm wiederholt eine
Frisbeescheibe zu. Patrick kannte sie nicht – er schlussfolgerte, dass sie erst
nach seinem letzten Besuch an Weihnachten eingezogen sein musste. Er glaubte
sich zu erinnern, dass seine Oma ihm vom Verkauf des Hauses erzählt hatte.
Patrick öffnete das Fenster und winkte seiner neuen Nachbarin – sofern sie es
denn war – kurz zu, da ihr Blick zu ihm nach oben gewandert war. Sie grüßte zurück
und wurde sofort wieder von ihrem Hund in Beschlag genommen.
Bewaffnet mit einem Post-it Block und Kuli
wanderte Patrick durchs Haus. Er schieb entweder ‚behalten‘ oder ‚weg‘ auf die
neonfarbenen Papierchen und pappte sie an die Möbelstücke. Beim zweiten
Rundgang stellte er fest, dass er neunzig Prozent mit ‚behalten‘ markiert
hatte. Dummerweise ließ sich das nur schwer realisieren, es sei denn, er würde
sich von einem Teil seiner eigenen Möbel trennen. Seufzend ließ er sich
schließlich in der Küche auf einen Stuhl sinken und trommelte mit den
Fingerspitzen auf der rustikalen Tischplatte herum. Den Tisch würde er
behalten, doch den Rest der Küche würde er gegen seine eigene eintauschen. Auf
den Komfort seiner modernen Küchenzeile wollte er nicht verzichten.
Wenn er an den Berg an Arbeit dachte, den er
nun vor sich hatte, bereute er den Entschluss, Berlin den Rücken gekehrt zu
haben. Aber das Haus von Oma Tata, wie er sie als kleiner Junge immer genannt
hatte, aufzugeben, wäre nicht infrage gekommen. Es war sowieso zu spät. Seine
Möbel befanden sich in einem Zwischenlager der Spedition, die alles
transportiert hatte. Sein Arbeitsplatz war geändert und schon in einer Woche
wurde er im Büro erwartet. Da er bis dahin das Meiste erledigt haben wollte,
trat er sich gedanklich selbst in den Hintern und legte los.
Bis weit nach Mitternacht packte er. Allein im
Wohnzimmer füllte er sieben Kartons, ehe er müde die Treppe nach oben stieg.
Gähnend beschloss er, die Dusche auf den kommenden Morgen zu verschieben.
◊
Patrick wurde unsanft geweckt. Durch das offene
Fenster schallte lautstarkes Hundegebell zu ihm herauf, dabei war es noch nicht
mal richtig hell. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte kurz nach fünf.
„Ist das zu fassen!“, murrte er. Da der Hund
fröhlich weiter kläffte, kletterte er aus dem Bett und trat ans Fenster. In der
Morgendämmerung konnte er weder den Hund noch dessen Besitzerin ausmachen.
„Fängt ja gut an“, murmelte er.
Nun, wo er schon mal auf war, entschloss er
sich zu duschen und nach einem Kaffee mit dem Ausräumen der Schränke
weiterzumachen.
Das Duschen ging sehr schnell – mangels warmen
Wassers. Er hatte schlichtweg vergessen, den Heizkessel im Keller
einzuschalten. Entgegen der Meinung seines Vaters, der ihn oft als Weichei
beschimpft hatte, war er das keinesfalls. Nach der kalten Dusche lief er nackt
über den Flur ins Zimmer zurück und schlüpfte in eine Shorts. Auf dem Weg nach
unten zog er sich ein T-Shirt über.
Während die Kaffeemaschine ihren Dienst tat,
suchte er in den Taschen seiner Jeansjacke nach der Zigarettenschachtel. Kurz
darauf wurde er fündig. Er wusste, er würde im ganzen Haus keinen Aschenbecher
auftreiben können – Oma Tata hatte nie einen Hehl daraus gemacht, was sie vom
Rauchen hielt: Nichts. Folglich wartete er auf den Kaffee, den er dann mit nach
draußen nahm. Trotz der frühen Uhrzeit war es schon angenehm warm. Im Laufe des
Tages würde daraus sicherlich wieder brütende Hitze werden. Der Hund hatte
inzwischen sein Gebell eingestellt, sodass Patrick seinen Kaffee in der morgendlichen
Ruhe genoss, die durch das Vogelgezwitscher ziemlich idyllisch wirkte.
Er schüttelte eine Zigarette aus der Schachtel
und zündete sie an. Als er den Rauch ausblies, hörte er das Garagentor des
Nachbarhauses aufgehen. Es quietschte wie eh und je, was ihm ein belustigtes
Schnauben entlockte.
Er fragte sich, ob da noch die gleichen Leute
wohnten. Ein älteres Ehepaar, dessen Enkel wie er oft in den Ferien zu Besuch
gewesen war. Dirk war sein Name gewesen. Wie oft sie in den Ferien zusammen
Fußball gespielt hatten oder zum nahen See schwimmen gegangen waren, konnte er
nicht mehr aufzählen. Die gemeinsamen Aktivitäten hatten schlagartig geendet,
als Patrick ihm gestanden hatte, dass er schwul ist. Seit dem Tag hatte er Dirk
nicht wiedergesehen. Über das Warum hatte er sich nie Gedanken gemacht – es war
offensichtlich.
Patrick schnippte den Filter ins Blumenbeet,
stand auf und machte sich an die Arbeit. Er hatte sich vorgenommen, nach dem
Wohnzimmer das Schlafzimmer seiner Oma zu räumen. Da die Sachen zum Wegwerfen
zu schade waren, hatte er eine Wohltätigkeitsorganisation gefragt, ob sie die
Wäsche und anderes Inventar wollten. Für den späten Nachmittag hatte sich ein
Mitarbeiter angekündigt, der einen Teil der Sachen gleich mitnehmen würde.
Um kurz nach zehn war er mit dem Wohnzimmer
fertig. Sein Magen verkündete laustark Hunger. Er wollte es ignorieren, doch
das Grummeln verschwand dadurch nicht. Also gab er sich geschlagen und machte
sich auf den Weg zum nächsten Supermarkt.
Eine halbe Stunde später betrat er mit zwei
vollen Einkaufstüten beladen wieder das Haus. Es war keine gute Idee gewesen,
mit leerem Magen einkaufen zu gehen, denn Patrick hatte weit mehr in den Wagen
gepackt, als er eigentlich haben wollte. Er ärgerte sich, dass er mal wieder
von seiner Unfähigkeit Entscheidungen treffen zu können, tyrannisiert worden
war. Nun packte er seine Errungenschaften aus und hielt inne, als erneut ein
Rumoren aus seinem Bauch erklang. Irgendwie hatte es sich angehört wie ‚Rührei‘.
„Ist ja gut, kriegst ja was“, brummte er seiner
Körpermitte zu.
F
|
risch gestärkt machte Patrick sich wieder ans
Werk. Bewaffnet mit einer Rolle blauer Tüten und zwei Kartons stieg er die
Treppe nach oben. Das Schlafzimmer seiner Oma zu betreten hatte etwas
Eigenartiges an sich. Schon als Kind war er nicht gerne hineingegangen. Es
hatte sich immer falsch angefühlt, in einen so persönlichen Bereich
einzudringen.
Die Luft im Raum war abgestanden, weshalb er
als erstes ans Fenster trat und es weit öffnete. Dann sah er sich um. Das Bett
war gemacht und mit einer Tagesdecke versehen. Auf dem Nachttisch und der
Kommode lag eine Staubschicht die vermuten ließ, dass hier seit mehr als
einigen Wochen nicht geputzt worden war.
Patrick seufzte und zog eine Tüte von der
Rolle. Als er sie aufschüttelte, wirbelte er genug Staub auf, dass ihm die Nase
kribbelte. Er zog Grimmassen, um das kitzelnde Gefühl zu vertreiben und öffnete
den Kleiderschrank. Hinter der ersten Tür verbargen sich Bett- und Tischwäsche.
Fein säuberlich gestapelt und nach Farben sortiert. Er packte alles in den
Sack.
Hinter den nächsten beiden Türen befand sich
die Kleidung, die er auch in Tüten verpackte. Bei dem einen oder anderen Stück
blitzte eine Erinnerung in ihm auf – an besondere Tage und Gelegenheiten, bei
denen Oma Tata das Kleidungsstück getragen hatte.
Um nicht in Sentimentalitäten zu verfallen,
machte er rasch weiter. Nachdem der Schrank leer und vier große Tüten voll
waren, wandte er sich der Kommode zu. Da sich im Kleiderschrank weder Nacht-
noch Unterwäsche befunden hatten, nahm er an, dass sie darin zu finden seien.
Mit spitzen Fingern zog er die erste Schublade auf. Allein der Gedanke,
Büstenhalter und fleischfarbene Schlüpfer ausräumen zu müssen, verursachte bei
ihm eine Gänsehaut. Da half es auch nicht, daran zu denken, dass die Sachen
einer geliebten Person gehört hatten.
Das Schicksal meinte es gut mit ihm, denn in
der Lade befanden sich Socken aller Art. Als er hineingriff, fiel sein Blick
auf einen Bilderrahmen, der auf der Kommode stand. Das Glas war staubig,
dennoch erkannte er sich selbst. Das Bild zeigte ihn als sechsjährigen
Rotzlöffel, mit Schultüte im Arm und einem schiefen Grinsen im Gesicht. Seine
von der Sonne gebleichten, strohblonden Haare standen wild durcheinander, wie
sie es immer getan hatten. Inzwischen hatte er es wachsen lassen, und die
Naturlocken waren längst nicht mehr so störrisch. Auf dem Bild war die Welt
noch in Ordnung gewesen. Sein Vater mit stolzgeschwellter Brust im Hintergrund,
seine Mutter mit einem Lächeln auf den Lippen stand etwas versetzt daneben.
Damals war ihr Haar noch lang gewesen, genauso blond und gelockt wie seines.
Nicht das einzige, das Patrick von ihr hatte. Sie teilten die gleichen grünen
Augen und besaßen beide ein hilfsbereites Wesen. So plötzlich an den Tag der
Einschulung erinnert zu werden, rief Bilder einer heilen Welt hervor.
Ein leises Lachen kam ihm über die Lippen und
er griff nach dem Rahmen. Mitten in der Bewegung hielt er inne, denn hinter dem
Bilderrahmen mit dem silbernen, verzierten Rand kam eine kleine Vase zum
Vorschein, die eine eigenartige Form besaß. Noch mehr verwunderte ihn der
Umstand, dass die Vase deutlich mehr Staubablagerungen als der Rest der Kommode
aufwies. Und gesehen hatte er sie auch noch nie – bei keinem seiner
Besuche.
Patrick stellte das Bild wieder hin, griff
stattdessen nach der kleinen Vase, deren blaue Farbe nur zur erahnen war.
„Was …?“, rutschte es ihm heraus, als er sah,
dass die vermeintliche Vase einen Deckel besaß.
„Geheimer Schnapsvorrat, was Oma?“, murmelte er
und zog an dem Deckel, der wie ein Stopfen aussah. Zugleich wischte er einen
Teil des Staubes ab, der dem Glas anhaftete.
Es zischte, kaum dass er den Pfropfen
rausgezogen hatte, Qualm stieg auf und Patrick ließ das Gefäß erschrocken
fallen. Der Rauch breitete sich aus und obwohl diese Menge nie und nimmer in
diese kleine Vase – oder was auch immer es war – gepasst hätte, sah er gebannt
zu. Wie erstarrt stand er da, unfähig irgendetwas zu tun.
Der Rauch lichtete sich, wie Nebel in der
Disco, und Patrick blinzelte verwirrt. Da stand ein Kerl …
„Jesses! Whoa! Beim Arsch der Götter. Warum
verflucht noch eins hast du mich so lange da eingequetscht? Da drin ist es
enger als in Cleopatras Arsch! Warte nur ab, wenn ich mich fertig sortiert hab
… verfickte Kacke, ich weiß gar nicht, was mir nicht eingeschlafen ist!“, zeterte der aus dem Nichts aufgetauchte
Typ.
Patrick starrte ihn mit großen Augen an. Er
zweifelte an seinem Verstand. Sah er da vor sich wirklich einen Kerl – nur in
Hosen?
„Agathe, ich sag‘s dir …“, er stockte und
blickte Patrick mit offenem Mund an.
„Heilige Scheiße!“, rutschte es Patrick raus.
„Das kannst du laut sagen! Meine Fresse, mein
Auftritt war jetzt nicht der ruhmreichste.“
Patrick blinzelte. Dann sah er sich um. War er
irgendwie bei ‚Versteckte Kamera‘ oder so gelandet? Das war doch gerade nicht
wirklich passiert!? Männer tauchten nicht einfach aus dem Nichts auf – und
schon gar nicht so einer! Der gestählte Oberkörper, die kräftigen Arme und das
markante Gesicht glichen einer Adonisstatue. Die eigenartige schwarze Hose
erinnerte Patrick irgendwie an den Orient. Und Schuhe hatte der Kerl auch keine
an!
„Äh – wer oder was bist du?“, fragte Patrick
vorsichtig. Er wusste nicht, ob er die Antwort hören wollte.
„Das könnte ich dich auch fragen. Wo ist
Agathe? Mit der hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen! Mich so lange schmoren zu
lassen …“
Patrick blickte auf die kleine Vase, bückte
sich und nahm sie in seine Hand. Dann sah er zu dem Bild von Mann, der eher in
einen Kleiderschrank passen würde, als in dieses winzige blaue Ding.
„Äh … du warst nicht echt hier drin?“
Der Kerl verschränkte die Arme vor der nackten
Brust. Der Blick, der Patrick aus den dunklen Augen seines Gegenübers traf,
wirkte belustigt.
„Natürlich war ich das. Es ist kein Vergnügen,
jahrelang da drin festzusitzen, das sag ich dir. Über fünfzehn Jahre! Ich kann
meine Zehen jetzt noch nicht spüren. Von anderen Körperteilen mal ganz
abgesehen. Dabei weiß ich gar nicht, was ich angestellt habe, dass sie mich
nicht mehr gerufen hat.“ Er zog einen Schmollmund, der mehr wie ein Kussmund
aussah.
Patrick vertrieb den Gedanken, trat zwei
Schritte zurück und ließ sich auf das Bett sinken. Er schüttelte ungläubig den
Kopf.
„Ein Flaschengeist?“, fragte er – mehr an sich
selbst gerichtet, als an den barfüßigen Kerl, der ihn abwartend ansah. „So was
gibt’s doch nur im Film …“ Vor allem, wenn der angebliche Geist wirkte, wie ein
Mann aus Fleisch und Blut. Obendrein auch noch verdammt sexy war.
„Ja, klar! Wäre ich dann hier? Außerdem bin ich
kein schnöder Flaschengeist. Ich bin ein Dschinn!“ Das letzte Wort betonte er
überdeutlich.
„Was? Wie bei Aladdin? Warum wohnst du dann
nicht in so einer hübschen Lampe?“
Der Dschinn verzog das Gesicht. „Die waren zu
der Zeit wohl aus. Also, wo steckt sie?“
„Wer?“
„Agathe!“
„Tut mir leid, aber mit ihr wirst du nicht mehr
reden können. Sie ist gestorben.“
„Och, dabei war es immer so lustig mit ihr …
bis sie mich eingesperrt hat.“ Er verzog das Gesicht. Was wohl wie eine
beleidigte Miene wirken sollte, sah ziemlich komisch aus. Zumindest für
Patrick, der sich ein Lachen nicht verkneifen konnte.
„Ja, ja. Lach ruhig. Ich schlussfolgere: Da
Agathe nicht mehr unter uns weilt und ich einige Jahre verpasst hab, musst du
der kleine Rotzlöffel sein, der sie immer besuchen kam und ich währenddessen
mein kuscheliges kleines Heim nicht
verlassen durfte.“
„Sie war meine Oma, ja. Und ja, ich habe sie
oft in den Ferien besucht. Ich fasse es nicht … Du warst damals echt schon
hier?“, Patrick schnaubte. „Oh Mann, ich rede mit jemandem, den es gar nicht
geben kann!“
„Bla, bla, bla. Immer das Gleiche. Siehst du
mich, oder nicht?“
Patrick verdrehte die Augen. „Ja, ich sehe
dich. Ich weiß nur gerade nicht, was das über meinen Geisteszustand aussagt.“
„Na ja, über deinen Verstand kann ich mir kein
Urteil bilden. Deine Augen und Ohren funktionieren einwandfrei. Und, wie darf
ich meinen neuen Meister anreden?“
„Was?“
„Hab mich geirrt, hast doch was an den Ohren.
Oder bist schwer von Begriff … wie heißt du?“
„Patrick. Hab‘ schon verstanden, was du gemeint
hast, nur das Wörtchen Meister verwirrt mich etwas.“
Jetzt rollte der Dschinn mit den Augen. Er
begann, mit seinen Fingern auf dem Arm zu trommeln und seufzte vernehmlich, als
wäre er genervt. „Ein Crashkurs: Ich bin der Dschinn, du hast mich gerufen.
Folglich bist du jetzt mein Meister und ich dir zu Diensten. So ist das, wenn
man an einer Wunderlampe reibt. Und nun Meister Paddy, was kann ich für dich
tun?“, leierte er herunter.
„So ist das“, erwiderte Patrick schmunzelnd.
Irgendwie machte die Sache Spaß, auch wenn er sie weiterhin für einen Scherz
hielt. Irgendwo mussten hier Kameras versteckt sein und der Adonis war ein
guter Schauspieler. „Wenn ich dein Meister bin, dann will ich, dass du Patrick
sagst und nicht Paddy. Hast du einen Namen oder bist du einfach nur der
Dschinn?“
„Ich besitze keinen festen Namen …“
„Oh, gut. Dann heißt du jetzt Abdul, was meines
Wissens nach Diener bedeutet.“ Patrick verkniff sich ein Lachen, denn sein
Gegenüber hatte entsetzt die Augen aufgerissen. Er fing sich jedoch recht
schnell wieder.
„Oh nein! Das wird mir ja gar nicht gerecht!
Ich bin doch kein gewöhnlicher Diener“, begehrte er auf. „Jesses nee! Ein
Diener! Pah! Ich zeig dir mal was und dann diskutieren wir über meinen Namen.“
Kaum ausgesprochen drehte er sich einmal um sich selbst, erfasste die Lage im
Raum und erkannte, was Patrick dort gemacht hatte. Der Dschinn klatschte in die
Hände, wies mit den Zeigefingern auf die Tütenrolle, dann auf die Kommode.
Patrick klappte die Kinnlade runter, als sich eine Tüte von der Rolle spulte
und aufblähte, sich die Schubfächer der Kommode öffneten und alles, was darin
war, in die Tüte wanderte. Von Zauberhand! Ganz treffsicher war der Flug der
Wäsche nicht – ein Stapel Stofftaschentücher und ein Bündel Seidenstrümpfe fiel
daneben – was der Dschinn mit einem Achselzucken abtat.
„Ich bin noch nicht ganz aufgetaut“,
entschuldigte er sich.
Patrick schluckte und verwarf die Vorstellung,
im Zimmer wären Kameras versteckt. Dafür zweifelte er erneut an seinem
Verstand. War er schon zu lange ohne Partner, dass er sich einen Mann
herbeiträumte? Möglich wäre es, vor allem, da dieses Exemplar da vor ihm absolut
nach seinem Geschmack war. Schwarze Haare und dunkle Augen, einen Body wie
gemalt und aus jeder Pore quoll der Sex-Appeal. Solche Männer gab es nur im
Traum oder in Wahnvorstellungen.
Plötzlich kam der halb Nackte mit Patrick genau
auf Augenhöhe.
„Meister Patrick, bist du überzeugt?“
„Nenn mich noch mal Meister, dann nenn ich dich
Abdul.“ Seine Stimme wollte ihm kaum gehorchen und jetzt, wo der Kerl so nah
war und Patrick ihn sogar riechen konnte, fiel es ihm schwer, auch nur einen
klaren Gedanken zu fassen.
„Ich brauche einen Namen, der unterstreicht,
wie grandios ich bin!“
„Aha, und wie sollte der lauten?“
„Wenn du schon so fragst … ich will Arshaq –
ich betone Ahr-shak – heißen, weil es
‚hübsch, mit starkem und gut proportioniertem Körper‘ bedeutet.“ Wie zum Beweis
strich er sich mit den Händen über die Brust, glitt an den Seiten entlang bis
zum Hosenbund und hielt inne. Patrick konnte nicht wegsehen.
„Kann es sein, dass ich dir gefalle? Ach was,
doofe Frage. Natürlich tue ich das“, er straffte die Schultern und setzte eine
zufriedene Miene auf, „denn ich bin der wahrgewordene feuchte Traum aller
Frauen und Männer!“
Patrick schnaubte. „Einbildung ist auch ne
Bildung, auch wenn‘s die einzige ist. Frauen haben doch keine feuchten Träume.“
„Weißt du das so genau?“, fragte der Dschinn
und beugte sich wieder herunter. „Oder vermutest du das nur? Ich seh‘ schon,
das zweite trifft zu. Ich bin schon sooo alt, erzähl mir nichts. Mir kannst du
keinen Bären aufbinden.“
„Mag sein. Aber nehmen wir mal an, ich spiele
dein Spielchen mit … ich gehe jetzt runter um eine zu rauchen. In der
Zwischenzeit kannst du deinen Trick mit dem Schweben weiter vollführen und hier
alles ausräumen. Die Tüten kommen dann alle in eine Ecke, die holt nachher
jemand ab.“
„Dein Wunsch ist mir Befehl!“, erwiderte der
Dschinn theatralisch. Patrick lachte und stand auf, darauf bedacht, den Kerl
aus der Vase nicht zu berühren.
◊
Draußen stand die Mittagshitze. Kein Lüftchen
wehte. Obendrein war es still. Aus der Nachbarschaft war kein Laut zu hören,
kein Vogel sang. Patrick kam sich vor, als würde die Zeit stillstehen und
jemand hätte ihn in eine andere Dimension verfrachtet – ganz Kinolike. Er
schüttelte den Kopf, als er sich in den Schatten setzte und das Feuerzeug
zückte. Er fragte sich, ob das alles eben wirklich passiert war. Vermutlich
nicht. Wenn er gleich wieder hinauf ginge, würde die Tüte vor der Kommode
liegen, die Schublade mit den Socken geöffnet und kein Dschinn aus der
Wunderlampe, äh Vase, weit und breit zu sehen sein. Zumindest sagte er sich
das.
„Patrick?“, schallte es von oben.
„Reine Wahnvorstellung“, kommentierte Patrick
leise.
„Huhu, Patrick? Die Schränke sind leer, was
soll ich denn jetzt machen?“
„Bau sie auseinander!“, erwiderte er laut.
„Okay. Ach, Rauchen ist ungesund. Davon kriegt
man schlechte Haut und ‚Mann‘ wird impotent!“
Patrick bekam den Rauch in den falschen Hals
und musste husten.
„Was hab‘ ich gesa-hagt?“, trällerte es von
oben.
„Das ist keine Wahnvorstellung, das ist ein
Albtraum“, murrte Patrick, als er wieder durchatmen konnte.
Plötzlich tauchte der Dschinn vor im auf, was
Patrick einen Schrecken einjagte. „Ich bin kein Albtraum“, meckerte er.
„Herr im Himmel!“, stöhnte Patrick, bemüht,
sein rasenden Herzschlag wieder in den Griff zu bekommen.
„Gnäh, der hilft dir auch nicht. Aber dafür
hast du ja jetzt mi-hich.“ Der Kerl tänzelte vor ihm rum und Patrick hoffte, dass
niemand aus der Nachbarschaft ihn sah.
„Wenn du meinst … tu mir einen Gefallen und
zieh was über!“
„Na gut.“ Er schnippte und schon trug er ein
weißes Muskelshirt am Leib. „Besser?“
Patrick betrachtete ihn. „Ja“, sagte er, obwohl
er das nicht meinte. Mit dem Shirt sah er aus, wie ein in Silberpapier
gewickeltes Bonbon, bei dem man sich darauf freute, den Inhalt zu entpacken,
aber das behielt er lieber für sich.
„Oki, doki. Wohin jetzt mit den Möbeln?“
„Gute Frage. Ich habe keine Ahnung.“
„Aha.“ Der Dschinn setzte sich vor ihn auf den
Boden und kreuzte die Beine zum Schneidersitz.
„Was wird das?“
„Na, ich warte.“
„Worauf?“
„Dass du mir sagt, was ich tun soll.“
„Wie wäre es mit verschwinden? Wie krieg ich
dich eigentlich zurück in die Vase?“
„Das sag ich dir, wenn ich Arshaq heißen darf.“
Die Erwiderung, die Patrick auf der Zunge lag,
sprach er lieber nicht aus. Nicht, dass der Dschinn die Worte als Befehl
auffassen würde … nur die Vorstellung trieb ihm die Schamesröte ins Gesicht.
Daran zu denken, was der Dschinn tun würde, wenn er die Worte ‚Leck mich‘ ausspräche
…
„Geht’s dir nicht gut? Du siehst so rot aus.“
„Mhpf! Mir geht’s nicht gut, seit du
aufgetaucht bist! Du willst was zu tun? Dann geh rein, guck dir die Möbel an.
Da hängen Zettel dran. Die, auf denen ‚weg‘ steht, kannst du ausräumen. Kartons
findest du im Auto.“
„Alles klar. Und trink ein Glas Wasser, das
hilft bei der Hitze.“
„Klugscheißer!“, murrte Patrick.
„Hey!“, entrüstete sich der Dschinn. „Wenn ich
Klugheit scheißen würde, wäre ich inzwischen so dumm wie die Steinplatte, auf
der du sitzt.“
Patrick grunzte nur. Was hätte er auch darauf
erwidern sollen? Er zog ein letztes Mal an der Zigarette, ehe er die Glut neben
sich in der Erde ausdrückte. Es kam kein ungebetener Kommentar, was bedeutete,
dass der Dschinn das entweder nicht gesehen hatte, oder der Schatten spendende
Strauch keinen Schaden davon nehmen würde.
Er nahm einen tiefen Atemzug und stand auf.
Irgendwie hoffte er immer noch, dass alles beim Alten wäre, wenn er wieder ins
Haus trat. Dass dem nicht so war, hätte er auch blind erkannt. Wie eine kleine
Windhose fegte dieser Geist, der gar nicht wie einer aussah, über den Flur,
verschwand hier und da, nur um kurz darauf wieder angewirbelt zu kommen. Patrick
stand blinzelnd in der Tür, während sich in Windeseile Kartons im Flur
stapelten. Er kratze sich ungläubig am Kopf, sah hinter sich und erwartete ein
Kamerateam. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn hier jemand anständig durch
den Kakao zog. Aber da war niemand. Nur er, die brütende Hitze in seinem Rücken
und ein wildgewordener Kerl, der aus einer Vase gehüpft … äh, gedampft war.
„Ich glaub, mir bekommt das Wetter hier nicht“,
murmelte er, zog die Tür hinter sich zu und schlurfte in die Küche, um sich
eine Flasche Wasser zu holen. Vielleicht litt sein Gehirn unter
Flüssigkeitsmangel, weshalb ihm sein Kopf Streiche spielte. Das alles konnte
doch nur eine Halluzination sein …
Patrick umschloss den Griff der Kühlschranktür
und seufzte, schüttelte über seinen Gedankengang den Kopf und öffnete die Tür.
Er zog die Flasche aus dem Fach und wollte gerade die Tür schließen, als hinter
ihm ein „Und was jetzt?“ ertönte. Vor Schreck hätte er beinahe die Glasflasche
fallen lassen.
„Ups, ich wollte dich nicht erschrecken. Du
bist ja ein richtiger Hasenfuß“, amüsierte sich der Dschinn.
Patrick schloss die Augen, öffnete die Flasche
und setzte sie an. Er hoffte, wenn er nur lange genug nicht hinsah, würde diese
Erscheinung wieder verschwinden.
Er hörte es rascheln und linste mit einem Auge.
Der Kerl war weiterhin da, hatte sich an den Tisch gesetzt und sah ihn
erwartungsvoll an.
Patrick nahm die Flasche vom Mund. „Kannst du
nicht einfach wieder abhauen?“
„Warum sollte ich? Außerdem hättest du dann
alles alleine ausräumen müssen. Jetzt habe ich das für dich erledigt.
Dankbarkeit sieht anders aus“, murrte er.
Patrick trat an den Tisch, stellte die Flasche
ab und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Du bist ja witzig! Ich soll auch noch
dankbar dafür sein, dass ich hier mit einer Halluzination rede?“ Er grunzte
ungehalten.
„Ich bin doch keine Hallo… äh, Einbildung!“
Schneller, als Patrick reagieren konnte, war
der Arm des Dschinn vorgeschnellt und dessen Hand berührte seine. Warm, fest
und sehr real. Gepflegte Nägel und weiche Haut. Patrick schluckte schwer.
Sollte dieser Kerl da tatsächlich echt sein? Ein Mann wie aus dem Bilderbuch,
verlockend gut aussehend, sehr sexy und … ausgestattet mit einer ziemlich
vorlauten Klappe.
„Und? Bin ich real oder nicht?“
Patrick räusperte sich. „Da ich deine Hand
spüre, muss ich davon ausgehen, dass du das bist.“ Leicht resigniert zog er
seine Hand weg. „Oder ich bin nicht mehr ganz richtig im Kopf.“
„Keine Sorge, da drin wird schon alles in
Ordnung sein. Agathe hat sich allerdings nicht so schwer getan, mich zu
akzeptieren. Bist du sicher, dass ihr verwandt seid?“
„Apropos – wie ist sie eigentlich auf dich
gekommen?“
„Auf mich? AUF mich? Leck‘ die Katz‘ am Arsch!
Sie war niemals auf mir! Ich mache ja vieles, aber das nicht!“, entrüstete er
sich und seine Mimik bezeugte, dass er auch meinte, was er sagte.
„So hab ich das doch nicht gemeint. Also, wie
bist du ZU IHR gekommen?“
„Ah, schon besser. Das ist einfach. Die Sache
war so: Bevor ich zu Agathe kam, war ein marokkanischer Gewürzhändler im Besitz
meiner Lampe. Der Trottel hat sie kaputt gemacht, weshalb ich notgedrungen in
die blaue Vase umgezogen bin. Das waren Zeiten … der Händler war ein
egoistischer Arsch, aber sein Kammerdiener, der hatte einen Arsch! Und was für
einen. Na ja, meine Ersatzbehausung ist dann wohl ausversehen in eine Lieferung
geraten, die nach Deutschland ging. Ich bekomme nicht alles mit, wenn ich da
drin stecke, aber mein Weg führte wohl von Marokko aus nach Frankfurt. Von dem
Großhändler aus weiter nach München … ja, und da hat Agathe mein bescheidenes
Heim gekauft.“
„Wann war das?“
„Hmm … müsste so etwa fünfundzwanzig Jahre her
sein.“
„Du willst mich auf den Arm nehmen!“ Die
Bemerkung mit dem Hintern des Kammerdieners ignorierte er geflissentlich.
Der Dschinn riss empört die Augen auf. „Wenn
ich scherze, dann etwa so: Wusstest du, dass die Entstehungsgeschichte in der
Bibel nicht stimmt? Gott schuf nur den Mann – den Rest hat der Lehrling
gemacht!“
Patrick grinste belustigt. „Du musst sehr alt
sein, wenn du das weißt“, erwiderte er.
„So alt nun auch wieder nicht. Was ist jetzt
mit meinem Namen?“
Patrick schürzte die Lippen. Hatten sie nicht
eine Abmachung getroffen?
„Wie kommst du zurück in die Vase?“
Der Dschinn rümpfte die Nase. „Na gut. Du musst
dazu eßiehcs egilieh sagen. Puff,
dann bin ich weg.“
„Ich brech‘ mir ja die Zunge, wenn ich das
aussprechen muss. Wer hat sich denn das einfallen lassen?“
„Na du. Wer sonst?“
„Wie ich?“
„Das, was du als erstes gesagt hast, nachdem
ich aus meinem Unterschlupf gekrochen bin, musst du nun jedes Mal sagen, um
mich zu rufen. Das ganze rückwärts schickt mich zurück. So einfach ist das.“
Patrick rieb sich über die Stirn. „Und was
bitte soll ich in dem Moment gesagt haben? Asix Egilie – Eilige Xisa? Das hab‘
ich im Leben nicht gesagt!“
Der Dschinn schüttelte den Kopf. „Hast du auch
nicht. Du hast ‚Heilige Scheiße‘ gesagt.“
„Ups. Damit rufe ich dich? Ernsthaft?“
„Wenn wir zusammen im Haus sind, kannst du
natürlich auch Arshaq rufen. Nur, wenn du unterwegs bist, solltest du dir
zweimal überlegen, wie du fluchst. Ich könnte nämlich ganz plötzlich neben dir
auftauchen.“
„Werde ich mir merken. Ich habe nicht unbedingt
das Bedürfnis, dass du im Supermarkt oder im Büro halb nackt neben mir
erscheinst.“
„Schade …“ Übertrieben gespieltes Bedauern
begegnete ihm.
Patrick war versucht, dem Dschinn die
Wasserflasche entgegenzuschleudern, ließ es aber bleiben. Stattdessen verdrehte
er die Augen, stand auf und ließ den Kerl kommentarlos sitzen.
Das waren die ersten 30 Seiten des Romans - mehr in Arbeit.
Vic - Animal Soldiers ebenfalls - je nachdem, welche Geschichte sich gerade in den Vordergrund drängelt ;-)
Abonnieren
Posts (Atom)